Freie Bauern seit fast dreihundert Jahren
Aus der Geschichte der Familie Orth in Bujendorf
von Rektor Otto Jarchov
(aus der Eutiner Zeitung 28.12.1965)

Die Dörfer Bujendorf und Redingsdorf waren um 1500 wie viele andere in der Hand des Adels, nämlich der Familie Ahlefeldt, die auf Lehmkuhlen bei Preetz ansässig war. Redingsdorf war damals nicht ein Gutshof, sondern ein Bauerndorf, genau wie Bujendorf. Die Bauern waren, wie fast alle Bauern Ostholsteins nicht freie Menschen auf eigenem Grund und Boden , sondern Zinsleute oder Landsassen im Sinne des „Sachsenspiegels". Sie hatten das Land der Grundherren in Nutzung, und dafür hatten sie Zins oder Pacht zu zahlen.
Im 16. Jahrhundert begann der Landadel immer mehr, sich der Landwirtschaft zuzuwenden und möglichst landwirtschaftliche Großbetriebe anzulegen auf die Weise, dass er wüste Hufen übernahm und Bauern auskaufte oder auswies. In der Ahlefeldtschen Zeit 1520 entstand neben dem Dorf Redingsdorf ein Bauhof oder Wirtschaftshof. Beim Landtag in Kiel 1524 hatte die Ritterschaft vom
König Friedrich I. die volle Gerichtsbarkeit über die Untertanen zugesprochen bekommen, und so war es für die Gutsherren ein leichtes Spiel, die Bauern – in diesem Fall die Bujendorfer und Redingsdorfer – zu zwingen, das Hofland mit zu bearbeiten.

Herrensitz mit Burggraben

Im Jahre 1577 kaufte Heinrich Rantzau von Breitenburg, der Statthalter des dänischen Königs für die Herzogtümer Schleswig und Holstein, die beiden Dörfer und baute Redingsdorf zu einem Herrensitz aus. Es entstand am Redingsdorfer See ein zweiflügeliges Herrenhaus mit einem kunstvollen Brunnen, und auch in Redingsdorf unterließ Heinrich Rantzau es nicht, in große Steine seinen Namen einzuhauen. Zum Schutz wurde das Herrenhaus mit einem tiefen Burggraben umgeben.
Der Wunsch Heinrich Rantzaus, seine Nachkommen möchten das Gut lange besitzen, ging nicht in Erfüllung, denn schon sein Enkel geriet in Schulden und musste es 1623 mit den dazugehörigen Dörfern verkaufen. Käufer war der Bischof Johann Friedrich von Lübeck, der im Eutiner Schloss residierte und schon ein Jahr vorher Erzbischof von Bremen geworden war. Dieser Bischof hat das Gut seinem bischöflichen Tafelgut einverleibt.

Großzügiges Geschenk

Das Gut wurde verwaltet von dem Vogt Heinrich Gloye, der bei seinem Herrn in hohem Ansehen stand. Für seine „fleißigen und treuen Dienste" erhielt er im Jahr 1635 ein Geschenk wie in jener Zeit nur sehr wenige Landbewohner. Er empfing seine in Hashop (Westteil von Bujendorf) gelegene Kate eigentümlich und außerdem dabei so viel Land, „darin können sechs Scheffel Saat gesät werden". Er erhielt die Kate „zeit seines Lebens und seiner Tochter Lebens ohne jede Dienstleistung, Abgiften und Schatzungen, wie es auch Namen haben mag" frei. Als einzige Abgabe hatte er an das Amtsregister sechs feiste, genudelte Gänse zu entrichten.
Diese Urkunde ist von Bischof Hans unterschrieben, dem volkstümlichsten aller Lübecker Bischöfe, in seiner Residenz Eutin im Jahre 1635, also in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Das wichtigste an dem Geschenk war nicht das Haus, denn die Häuser auf dem Lande waren fast immer Eigentum des Bewohners. Sie waren damals Fachwerkbauten und gehörten zum toten Inventar, konnten beim Umzug ohne große Mühe abgebrochen und in einem anderen Dorf wieder aufgestellt werden.

Das wichtigste war, dass der Vogt eigenen Grund und Boden erhielt. Das kam sehr selten vor. Wodurch hat der Vogt sich bei seinem Herrn so verdient gemacht? Es ist bekannt, dass der Bischof Hans die Milchwirtschaft nach holländischem Muster einführte. Es wurden Meiereibetriebe geschaffen, die Butter und Käse herstellten. Vielleicht hat der Vogt auf diesem Gebiet Besonderes geleistet, denn der Name deutet auf friesische Herkunft hin. Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts wurden die Meieristen in Bujendorf als Holländer bezeichnet.

1676 an Hinrich Orth

Der Nachfolger als Vogt auf Redingsdorf war Hinrich Orth. Er kaufte der Tochter seines Vorgängers im Jahre 1676 das „Haus Hashop samt der Hofstätte, samt allem anderen Zubehör und Gerechtigkeiten erb- und eigentümlich ab!" Der Bischof August-Friedrich bestätigte das im Jahre 1697 durch einen Kauf- und Begnadigungsbrief, wonach die Familie Orth und ihre Erben das Gut „als Eigentum besitzen und gebrauchen dürfen, auch das Recht haben, es zu verkaufen und zu verpfänden und dabei frei sind von allen Dingen, Abgiften, Schatzungen, wie sie auch heißen mögen, jedoch mit einer Ausnahme, dass sie jährlich geben an das Amtsregister sechs gute Gänse".
Das Grundstück, das die Familie Ohrt kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg erwarb, ist jetzt fast 300 Jahre in ihrem Besitz.
Eigenartig ist es, dass der Begnadigungsbrief, der von Diensten und Abgaben befreit, nicht auf die Person, sondern auf Haus und Hof ausgestellt wurde für die Zeit, solange der Eigentümer oder einer der Söhne auf diesem Grundstück lebte.
Dieser Begnadigungsbrief wurde 1706 von dem Bischof Friedrich-August bestätigt, der 1705 die Regierung übernahm. Im Jahre 1728 hat Bischof Adolf-Friedrich den Gnadenbrief auf Heinrich Ohrt`s Sohn Jakob übertragen.


Die Familie Ohrt in Bujendorf nahm um die Zeit des Eutiner Bischofs Adolf-Friedirch (18. Jahrhundert) eine Sonderstellung ein, weil sie als einzige von allen Diensten befreit war, weil sie keine Steuern zu zahlen brauchte und weil sie ihr Ackerland zu eigen besaß und nicht an der Allmende und Feldgemeinschaft des Dorfes beteiligt war. Eine solche Sonderstellung konnte sich mitunter aber auch zum Nachteil auswirken.
Das zeigte sich, als den Bujendorfer Hufnern und den Hashoper Kätnern erlaubt wurde, durch Abbrennen und Roden von Wald und Buschwerk ihr Ackerland zu vergrößern. Weil Ohrt an dieser Aktion nicht beteiligt wurde, wandte er sich beschwerdeführend an seinen Landesherrn, den Bischof. Diese Eingabe war so geschickt aufgesetzt und schildert die Zustände der damaligen Zeit so genau, dass sie ein wichtiges Kulturdokument für die Bujendorfer Agrar- und Siedlungsverhältnisse ist.

Noch kein Landarbeiterstand

Ohrt wies darauf hin, dass die Bujendorfer Hufner die gnädigste Erlaubnis erhalten haben, einen gewissen Teil ihres Holzes auszuräumen und einen ganz neuen Brandschlag zu machen. In Bujendorf befanden sich sieben Hufner und noch acht andere Einwohner – die Hashoper genannt – die soviel Land besaßen, dass vier auf eine Hufe kamen, die vier anderen aber auf eine halbe Hufe gerechnet und darum die „kleinen Hashoper" genannt wurden. Die besagten Hashoper mussten nach Proportion ihres Landes den Hufnern gleiche Hofdienste in Redingsdorf leisten und gleiche Herrschaftsgefälle (Steuern) zahlen, die vier großen gleich einem vollen Hufner und die vier kleinen gleich einem Halbhufner. Deshalb genossen sie auch an dem auszuräumenden Holz oder an dem neuen Brandschlag ihren Anteil nach der vorher erwähnten Proportion.
Woher kamen die vier Viertelhufner und die vier Kätner? Darüber ist nirgendwo etwas geschrieben. Einen Landarbeiterstand gab es damals noch nicht, und Kätner kamen in den Dörfern sonst nur vereinzelt vor als Dorfhirte oder Dorfhandwerker.
Wie kann man sich in Hashop die große Zahl der „kleinen Leute" erklären? Ich nehme an, dass es die Nachkommen der umgesiedelten Redingsdorfer Bauern sind. Aus Redingsdorf war ein bischöfliches Tafelgut geworden. Den Bauern wurde ihr Ackerland genommen. Das Dorf Redingsdorf wurde niedergelegt, und den Bauern wurden Wohnplätze mit einigem weinigen Ackerland am Westrand von Bujendorf zugewiesen. So ist vielleicht Hashop entstanden. Was der Name bedeutet ist nicht mir nicht klar.

Waldrodung in Bujendorf

Ohrt wies in seiner Beschwerde darauf hin, dass vor zehn Jahren die Feldmark in Bujendorf schon einmal durch Landrodung vergrößert sei. Diesmal war den Hufnern Rodeland zugewiesen und ebenfalls, aber getrennt davon, den acht Hashoper Einwohnern. Diesen wollte er sich anschließen, und er stellte sich mit den „kleinen Hashopern" auf eine Stufe, obwohl sein Land erb- und eigentümlich gekauft und obgleich er von allen Dienstleistungen und Abgaben privilegiert war.
Es könnte aber, so meinte er, einmal eine Zeit geben, dass die Privilegien wegfallen. Dann müsste er ebenso wie seine Nachbarn Hofdienste verrichten oder für nicht geleistete Dienste ein Dienstgeld von sechs Reichstalern jährlich zahlen (eine Kuh = fünf Reichtstaler). Wenn er aber gleich den „kleinen Hashopern" die Dienste leisten müsste, meinte er, wäre es nicht gerecht, wenn er sich jetzt nicht der Vermehrung seiner Ländereien erfreuen könne: „Eure Königliche Hoheit würde es nicht zugeben können, dass ein Untertan, der in der Ausgabe mit den anderen Gleichheit hat, nicht auch sollte mit ihnen in der Einnahme gleich sein."

Schulmeister Jakob Ohrt

Es scheint, als wenn die Königliche Hoheit ihren geringsten Untertanen ihre weltbekannte Gnade in diesem Falle nicht hat angedeihen lassen, denn ein Antwortschreiben der bischöflichen Residenz liegt nicht vor.
Aber Jakob Ohrt verlor durch diesen Misserfolg nicht den Mut, sondern versuchte seine wirtschaftliche Lage auf die Weise zu verbessern, dass er sich um den Schulmeisterposten bewarb, der schon seit Jahren nicht besetzt war. Der alte Christian Jappe war schon vor längerer Zeit gestorben, und seitdem ruhte der Schulbetrieb in Bujendorf, weil kein geeigneter Bewerber vorhanden war.
Über die Besetzung der Schulstelle in Bujendorf hatten die bischöfliche Residenz in Eutin und der Pastor in Süsel zu entscheiden. „Wegen seiner Tüchtigkeit im Beruf und wegen seines guten Lebenswandels" wurde Jakob Ohrt 1729 zum Schulmeister in Bujendorf bestellt. Das Amt des Vogts in Redingsdorf hatte er also aufgegeben.
Kinder und die Herren und Frauen ihr noch nicht genugsam unterrichtetes Gesinde an den Werktagen zur Schule und des Sonntags in die Kirche zu schicken hatten, besonders in der Winterzeit, da weder die Feldarbeit noch das Viehhüten den Bauern eine Entschuldigung geben konnten. Widerspenstige und Ungehorsame, die ihre Kinder nicht gebührend zur Schule schickten, sollten der Residenz gemeldet werden, und ihnen wurde eine Strafe von „zweien Reichstalern" angedroht.

Vom Schulbesuch hielt man in früheren Jahrhunderten nicht so viel wie heute. Schon im Jahre 1708 war im damaligen Fürstenbistum Lübeck zwar verfügt worden, dass die Eltern die sechs bis zwölf Jahre alten Kinder zur Schule schicken sollten. Aber wie überall in Deutschland war der Schulbesuch auch hier sehr mangelhaft. Erst eine Verordnung des Bischofs Adolf Friedrich mit einer sehr hohen Strafandrohung half da. Und durch die entstand auch die Bujendorfer Schule, die Familie Ohrt bis zum Jahr 1815 verwaltete.
Das Schulgeld war damals auf „3 Mark Lübsch" festgesetzt worden. Auch wer die Kinder nicht schickte, musste das Schulgeld bezahlen. Denn immer noch gab es Eltern, die sich um die Schule als eine unnütze Angelegenheit herumdrücken wollten. Die verschiedenen Verordnungen der Regierung wirkten dann aber doch. Außergewöhnlich hohen Strafandrohungen verdankt eine ganze Anzahl von Schulen ihre Entstehung.
Aus einer Eingabe an die bischöfliche Residenz geht hervor, dass der Schulmeister in Bujendorf keinen Anteil an der Gemeinweide hatte, wie es in anderen Dorfschaften, die über ausreichend Weideland verfügten, üblich war. Und das, obgleich er sich immer wieder darum bemüht hatte.

„Fortgesetztes Querulieren"

Der Bischof war über das „fortgesetzte Querulieren" des Schulmeisters Joachim-Hinrich Ohrt sehr ungehalten, aber aufgrund des Sachverständigenberichts, ausgearbeitet von dem Ober-Forst- und Jägermeister Freiherrn von Liliencron, wurde ihm der neben der Bujendorfer Gemeindeweide gelegene „Hohlen-Becks-Busch" für seine Schulmeisterkühe zugewiesen. Der Schulmeister sollte sich jeglichen Ausrodens aber gänzlich enthalten und auch ohne Anweisung des Forstbeamten keinen Busch hauen.
Damit war Ohrt zunächst zufriedengestellt, doch schon nach drei Jahren, im Jahr 1762, begann „das Querulieren" aufs neue. Ohrt bat um gnädige Erlaubnis, die ihm zugefallenen Weide vom Busch roden zu dürfen. Der allergnädigste Bischof und Herr gestattete es, doch allein nach Vorschrift und Weisung des Ober-Forst- und Jägermeisters.

Zum ehrbaren Handwerk

In der Zeit der Befreiungskriege gab Ohrt die Schulmeisterei in Bujendorf auf und wandte sich jetzt einem ehrbaren Handwerk zu, der Tischlerei. Nach Zunftbrauch war jeder Geselle verpflichtet, eine mehrjährige Wanderung anzutreten, um andere Städte und Landschaften kennen zulernen und bei fremden Meistern allerlei Neues zu sehen, was er in seinem Beruf einmal verwerten konnte.
Friedrich-Wilhelm Ohrt hatte 1837 das Glück bei der Militäraushebung ein Freilos zu ziehen. Nach der hiesigen Militärgesetzgebung war er also militärfrei und konnte jetzt auf Reisen gehen. Er bemühte sich beim Amt Eutin um einen Reisepass, und nachdem festgestellt wurde, dass weder seine „liebende Mutter" noch seine Heimatbehörde gegen seinen ferneren Aufenthalt im „Ausland" etwas einzuwenden hatte, wurde ihm als militärfreiem Sohn seines verstorbenen Vaters der gewünschte Reisepass ausgehändigt. Alle Zivil- und Militärbehörden wurden aufgefordert, ihn ungehindert passieren zu lassen, und wenn nötig, ihn zu unterstützen.

Von Bayern nach Sachsen

Er hat bei vielen Meistern „das Handwerk gegrüßt", das bedeutete, er bekam unentgeltlich zu essen und zu trinken sowie ein Nachtquartier. Hier und da erhielt er auch ein Geschenk, das ihm das Weiterwandern erleichterte. Sein Weg führte ihn über Hamburg, Hannover, Kassel, Germersheim, Stuttgart, Freising und Regensburg nach Augsburg.
Als fortschrittlicher Bürger des Landes fasste er sich ein Herz und fuhr von Augsburg nach München mit der neugebauten Eisenbahn. In Schleswig-Holstein gab es diese moderne Verkehrsmittel damals noch nicht. Die erste Eisenbahn, die hier im Norden in Betrieb genommen wurde, war die Strecke Kiel-Altona 1844.

Doch in Bayern gefiel es dem reisenden Handwerksgesellen nicht sonderlich, und er wandte sich nach Sachsen. Sein Reisepass wurde in Dresden und Leipzig abgestempelt, in Leipzig mit dem Bemerken „Arbeitet mit gutem Betragen allhier".
Von den Sachsen ging er zu den Preußen. Die nächsten Stempel erhielt er in Berlin und Perleberg, und dann wandte er sich langsam seiner Heimat wieder zu. Doch zuvor machte er noch einmal für längere Zeit Station in Hamburg. Dort arbeitete er von 1843 – 1844. Erst im Jahre 1846 meldete er sich bei seiner Regierung in Eutin zurück. Seine Wanderung dauerte also acht Jahre. Friedrich-Wilhelm Ohrt war der erste Tischler in der Familie, und seitdem wurde das Handwerk in der Familie von Generation zu Generation vererbt, bis auf den heutigen Tag.

(Eutiner Zeitung 04.01.1966)

Von mühevoller Arbeit musste sich in vergangenen Jahrhunderten so manche Bujendorfer Familie ernähren. So auch die Familie des „Weltreisenden", dessen Vater früh gestorben war. Die Witwe geriet durch den Tod ihres Mannes nämlich bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie hatte aber Vertrauen zu ihrem bischöflichen Landesherrn und bat um Minderung ihrer Abgaben. Die Abgaben wurden zwar nicht gemindert, aber sie erhielt die Erlaubnis, auf ihrem Grundstück eine „Grützquere" zu betreiben.
Mit dieser steinernen Mühle für den Handbetrieb, die nicht dem Mühlenzwang unterlag, verdiente die Frau sich ihr Geld. Wenn es auch eine schwere Arbeit war, das Korn mit Hilfe eines solchen Geräts zu zerkleinern, so half dieser Betrieb doch über die schwere Zeit hinweg.
17 Jahre lang – bis 1852 – hat Frau Ohrt in Bujendorf Korn zu Grütze zermahlen. Von der Regierung wurde sie bei der Verlängerung ihres Konzession darauf hingewiesen, die Bestimmungen für den Handel mit Grütze zu beachten und nur gestempelte Maße zu benutzen.
Nun zunächst einen kurzen Blick auf die Agrarverhältnisse! Gegen die Jahrhundertwende änderte sich die wirtschaftliche Lage in Schleswig-Holstein, Die Großgrundbesitzer verzichteten nach und nach auf die Hofdienste der Untertanen. Nicht immer aus Gründen der Humanität, sondern weil oft zu wenig und schlechte Arbeit geleistet wurde.

Damals gab´s noch Hofdienstvorschriften

Das Gut Redingsdorf wurde um 1800 nicht mehr vom Bischof bewirtschaftet, sondern es wurde verpachtet. Auch die Hofdienste der Untertanen, die unentgeltlich geleistet werden mussten, wurden dem Pächter mit übergeben. In einem Dienstreglement für das Stiftsvorwerk Redingsdorf waren Art und Anzahl der Hofdienste genau festgelegt.
Dem Schulmeister Johann-Heinrich Ohrt wurde im Jahr 1786 bestätigt, dass sein Haus solange von allen herrschaftlichen Abgaben und Hofdiensten befreit sei, solange er in Bujendorf dem Schuldienst vorstehen werde.
Im Jahre 1815 war der letzte Schulmeister Ohrt gestorben, weil aber die Witwe von ihrem Sohn Joachim-Hinrich das Altenteil bekam, war er, so lange seine Mutter lebte, von den wöchentlichen Hofdiensten in Redingsdorf befreit. Dafür hatte im Jahr Dienstgeld von 4 Reichstalern und 4 Schillingen zu zahlen, aber im ganzen Jahr nur 3 Hofdiensttage zu leisten. (3 Schafe = 4 Reichstaler. Ein Taler = 3 Mark, 1 Mark = 16 Schillinge, ein Schilling = 12 Pfennig).
Als seine Mutter im Jahre 1833 starb, stellte der Kleinkätner Ohrt den Antrag auf weitere Befreiung von den ordinären Hofdiensten in Redingsdorf. Dieser Antrag wurde aber von der großherzoglichen Rentenkammer abgelehnt, und er wurde jetzt in Bezug auf Abgaben den übrigen Hashoper Kleinkätnern gleichgeschaltet.

Mehr Dienstgeld als Ersatz

Der Großherzog war wie die meisten der weltlichen Grundherren davon überzeugt, dass im Rahmen der Hofdienste wenig gute Arbeit geleistet wurde. In den Dienstbefreiungsakten von 1815 und 1817 hatte er erklärt, dass er bereit sei, auf die Hofdienste zu verzichten, falls ihm ein erhöhtes Dienstgeld gezahlt werde. Daraufhin waren sämtliche Hashoper Kleinkätner auf 18 Jahre von 1831 – 1849 von den Hofdiensten befreit. Sie hatten dafür aber ein Dienstgeld von 6 Reichstaler 24 Schillingen zu bezahlen. Maitag 1849 sollten die Hofdienste wieder aufgenommen werden, falls es nicht zu einer anderweitigen Regulierung kommen würde.
Auch Joachim-Hinrich Ohrt war für die Jahre von 1834 – 1849 von allen Hofdiensten frei und hatte dafür das erhöhte Dienstgeld zu zahlen. Im Jahre 1849 wurden die Hofdienste teilweise wieder eingeführt.
In dem Hausbrief des Kätners Friedrich-Wilhelm Ohrt wurde festgelegt, dass die Kleinkätnerstelle Ohrt (Hashop-Bujendorf) an den Hof zu Redingsdorf zu eintägigem Handdienst in jeder Woche pflichtig sei. Während dieser Zeit schuf der Großherzog die Ablösungskommission, deren Aufgabe es sein sollte, die Hofdienste auf Antrag zu kapitalisieren. Friedrich-Wilhelm Ohrt stellte diesen Antrag im Jahre 1853. Nach längeren Verhandlungen mit der Regierung wurde sein Ablösungskapital auf 109 Reichstaler 39 7/15 Schillinge festgesetzt, zahlbar mit 4% nach spätestens 6 Monaten. Gebühren für die Ausstellung der Urkunde waren an die Ablösungs- und Revisionskommission außerdem noch 30 ¼ Schilling zu zahlen. Damals war eine Kuh ungefähr 50 Reichstaler wert.

Frondienste wurden abgeschafft

Erst mit dem Jahr 1853 findet in unserer engeren Heimat eine Epoche ihr Ende, die zu der Zeit der Bauernkriege (1525) begann, die als Zeit der Leibeigenschaft oder der Hand- und Spanndienste wie eine Geißel auf der Landbevölkerung lastete. Es ist heute kaum zu fassen, dass diese Zeit mit ihren letzten Auswirkungen kaum 100 Jahre zurückliegt.
Es bleibt das Verdienst der Paulskirche, die Menschenrechte den Deutschen zum ersten Mal zum Bewusstsein gebracht zu haben. Wenn es auch in der Praxis zunächst noch schwierig war, so konnten die konservativen Kräfte sich auf die Dauer nicht gegen diesen modernen Geist wehren. So musste dann auch der Großherzog auf die Dienste und Dienstgelder verzichten.

Zwei Kühe war die Freiheit wert

Nicht wie in Frankreich ohne Entschädigung, sondern gegen eine verhältnismäßig hohe Ablösungssumme, die für den Kleinkätner Ohrt den Gegenwert von 2 Kühen ausmachte. Wenn auch der Preis sehr hoch war, so war doch jeder bestrebt, die Summe aufzubringen, um endlich nach so langer Zeit wirklich frei und unabhängig zu werden.
Ein neues Zeitalter brach an, Handel und Gewerbe blühten auf. Für das Handwerk begann eine goldene Zeit, die aber in der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges ihr Ende fand. Jetzt aber summen die Motoren und kreischen die Sägen wieder in der modernen Tischlerwerkstat. Die Familie Ohrt kann mit Stolz auf die 300 Jahre zurückschauen, in denen sie auf eigenem Grund und Boden in einem wechselvollen Schicksal in Kriegs- und Friedenszeiten die Schwierigkeiten des Lebens überwand.
.
.
.